
Kritische Zeiten
Auswählen, Bewerten, Aneignen
Jugendarbeit will dazu beitragen, dass aus Kindern und Jugendlichen wache, mündige Menschen werden. In der extrem komplexen Mediengesellschaft der Gegenwart ist das eine anspruchsvolle Aufgabe. Wie kann man Kinder und Jugendliche für die Zusammenhänge hinter den bunten, kostenlosen und spaßigen Oberflächen sensibilisieren? Wie kann man zeigen, dass Medien „gemachte“ Produkte sind, mit denen soziale, politische und kommerzielle Interessen strategisch umgesetzt werden? Medienkritik bezieht sich (mindestens) auf eine kommerzielle, eine kulturelle und eine sozial-politische Dimension. Wo es um Medienkritik geht, sollen Kinder- und Jugendliche dabei unterstützt werden,
- als Verbraucher_innen und Nutzer_innen von Medienangeboten kritisch und versiert im Netz zu agieren
- als Kenner von Medienkultur Qualitäten, Stile und Genres zu kennen, zu bewerten, bewusst auszuwählen und zu genießen – z.B. bei Film, Fotografie und Games
- als kritische Bürger_innen die medialen Entwicklungen (mit ihren technischen, sozialen und politischen Ebenen und Auswirkungen) beurteilen und möglicherweise beeinflussen zu können
Erste Ideen
Kritische Nutzer_innen und Verbraucher_innen
Beginnen wir damit, Kinder und Jugendliche zu stärken, die sozialen und emotionalen Erfahrungen rund um die Mediennutzung zu reflektieren, die Bedeutung von Medien zur Regulierung des Alltags, der sozialen Beziehungen und der eigenen Gefühle besser zu verstehen. In der Auseinandersetzung mit dem alltäglichen Mediengebrauch stellen sich darüber hinaus immer auch Verbraucherfragen: Was kostet der Handyvertrag, warum muss nach zwei Jahren was Neues her? Wieso bekomme ich andere Werbung als meine Freundin? Was geschieht mit meinen Daten, wenn ich bei „WhatsApp“ mitmache? Welche Stoffe und Energien verbraucht mein Handy?
- Kuschelkino und Gamesnacht: Organisieren Sie Serien-/Film- oder Gamesnächte in Ihrer Einrichtung. Dabei kann das Filmsehen oder Spielen passend zur Zielgruppe gestaltet werden: gemütlich oder mit thematischem Ambiente, mit Spielaktionen und Pausen für Gespräche. Es entsteht eine Atmosphäre, wo über die emotionale Bedeutung von Medien gesprochen werden kann.
- Experimentieren Sie mit unterschiedlichen Formen von Medienpraxis: z.B. Tage ohne und Tage mit Medien vergleichen, Medientagebücher erstellen.
- Organisieren Sie eine Veranstaltung für Familien zum Thema Mediennutzung im Familiealltag.
- Laden Sie Experten_innen ein, die Verbraucherfragen rund um Medien vor Ort beantworten.
- Gründen Sie eine Medienreparaturwerkstatt.
Medienkulturkenner
Kinder und Jugendliche brauchen Anregungen, um sich als Kenner_innen von Medienkultur zu entwickeln. In medialen Kultursparten wie Film, Games, Video, Fotografie, Radio/Hörspiel können sie künstlerische Universen mit eigenen Stilrichtungen, Formaten, Darstellungstraditionen entdecken. Besonders Kinder und Jugendliche, die „von Hause aus“ wenig reflektierten Zugang zu Kultur mitbringen, brauchen diese Anregungen. Ausgehend von der Auseinandersetzung mit attraktiven Medienproduktionen lernen Kinder und Jugendliche, Medien als gemachte, dem Zeitgeschmack unterworfene Phänomene zu sehen und eine bewusstere Auswahl zu treffen, Medienkultur zu genießen.
- Lassen Sie Kinder und Jugendliche Medien testen und kritisieren; dann entwickelt sich sehr schnell ein Verständnis für unterschiedliche Qualitätskriterien. Gründen Sie eine eigene Kinder-/Jugendredaktion, die ihre Kritiken z.B. auf www.spinxx.de veröffentlicht, oder eine Spieletester-Redaktion.
- Klasse statt Masse! Zeigen Sie Kindern und Jugendlichen gute Produktionen in einer möglichst qualitätsvollen Präsentation! Schulen Sie so deren sinnliches und ästhetisches Empfinden. Vielleicht können Sie in Kooperation mit einem Kino regelmäßige Kinder- oder Jugendreihen zeigen? Beteiligen Sie Jugendliche an der Auswahl eines Programms. Lässt sich eine eigene Filmreihe, Gamesnacht, Fotoshow anbieten?
- Gründen Sie einen Hörclub oder einen Schreibblog vielleicht auch in Kooperation mit dem Ganztag einer Schule.
- Live erleben! Besuchen Sie mit Kindern und Jugendlichen jugendkulturell interessante Veranstaltungen und setzen Sie so das Erlebnis vor Ort in eine Relation zur medialen Erfahrung.
- Gründen Sie eine Jugendkulturredaktion.
Kritische junge Bürger_innen
In partizipativen und journalistischen Projekten tauchen erste medienpolitische Themen auf: Was muss man tun, um mit seinem Anliegen wahrgenommen zu werden? Welche Plattform, welches Medienformat leistet was? Was geschieht mit meinen Daten und den Rechten an meinen Produkten? Warum kann Facebook oder WhatsApp eigentlich kostenlos sein? Wie können diese Firmen zugleich zu den wertvollsten der Welt gehören? Was wird auf einer Serverfarm gezüchtet?
- Nutzen Sie Infomaterialien und Videos z.B. der Landes- und Bundeszentrale für politische Bildung.
- Setzen Sie nichtkommerzielle Ressourcen im Netz ein (Wikis, Open Source, Creative Commons etc.).
- Starten Sie eine eigene Aktion mit Netzöffentlichkeit, z.B. Flashmob, Kampagne, Fest.
- Nutzen Sie Spielfilme, um das abstrakte Thema Überwachung anzugehen, z.B. Minority Report, Brazil, 1984, Staatsfeind Nr. 1 ...
- Erstellen Sie mit Jugendlichen eigene Videos/Thriller zum Thema Cyberwar, Cyberkriminalität oder „Big Data“.
- Oder einen Radiobeitrag zur Frage: Wo kommt mein Handy her?
- Ermöglichen Sie Blicke hinter die Kulissen – besuchen Sie Orte, wo Medien produziert werden: Studios, die Games und Animationen erstellen, Radiosender, Filmstudios...
- Laden Sie Gäste ein, die interessierten Jugendlichen glaubwürdige und spannende Hintergrundinformationen liefern, z.B. zu Netzpolitik, „Big Data“ und Überwachung, Self-Tracking etc.
„Big Data“
und Überwachung zeigen, dass Medienerziehung sich immer wieder neu auf gesellschaftliche Entwicklungen einstellen und dazu Methoden und Angebote entwickeln muss. Eine Handreichung für die Praxis zu Big Data Ananlytics finden Sie hier: http://www.jfc.info/publikationen-id26-seite=1Wir möchten das Thema praxisnah umsetzen und vereinbaren gern mit Ihnen ein passendes Angebot, z.B. einen Workshop, eine Spielaktion oder einen Vortrag!
Wir unterstützen Sie!
- Wir beraten, bieten Fortbildung und Projektbegleitung und vermitteln Fachreferent_innen.
- Wir richten Elternabende oder Aktionen mit Kindern und Jugendlichen zum Thema Medienkritik aus.
- Wir unterstützen Sie beim Aufbau einer Spinxx-Kritikerredaktion in Ihrer Einrichtung, bieten Platz auf dem Portal für junge Medienkritik und den Spinxx-Kritikergipfeln.
- Wir beraten und unterstützen Sie bei Filmauswahl und -beschaffung, Vermittlung von Filmschaffenden, Kontaktaufnahme zu Kinos.
Fähigkeiten, die durch diese Angebote gefördert werden können, sind z.B.:
- Medien reflektieren und analysieren
- Medien bewerten, auswählen, bewusst nutzen/genießen und beeinflussen
- Medienproduktionen als zeitgeschichtlich relative Produktionen, als Teil von Kultur wahrnehmen
- Das Spektrum ästhetischer Wahrnehmung und Bewertung erweitern
- Austausch über unterschiedliche Meinungen
- Medienreflexion 3.0: medienpolitische Bildung
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